"STRUKTURPOLITIK UND AGENDA 2000:
DER BEITRAG DER LOKALEN UND REGIONALEN GEBIETSKORPERSCHAFTEN"



LONDONER ERKLARUNG


IM HINBLICK AUF DIE SCHLUßFOLGERUNGEN DER LONDONER KONFERENZ ZUR STRUKTURPOLITIK UND ZUR AGENDA 2000 AM 5. FEBRUAR 1998


BEGRUßT DER RAT DER GEMEINDEN UND REGIONEN EUROPAS:

  • die Vorschläge der Agenda 2000 bezüüglich der Strukturfonds und insbesondere den Wunsch der Europäischen Kommission, eine stärker dezentrale Umsetzung und Verwaltung der Strukturfonds zu erreichen,
  • die Erweiterung der Europäischen Union, die zur Wahrung des Friedens und der Stabilität in Europa beitragen wird,
  • die Schlußfolgerungen der Mitteilung der Europäischen Kommission zur städtischen Politik hinsichtlich der Beteiligung der lokalen Gebietskörperschaften an der Politik der Gemeinschaft,
  • die Schlußfolgerungen der in Cork verabschiedeten Erklärung bezüglich der Notwendigkeit einer neuen Politik zur Entwicklung des ländlichen Raums,
  • die Schlußfolgerungen und Empfehlungen des ersten europäischen Gipfeltreffens zur Beschäftigung, das in Luxemburg stattfand

Bestätigt, wie bereits 1995 im "Aufruf von Valencia", im Mai 1996 in der "Erklärung von Thessaloniki" und in seiner " Entschließung zur Erweiterung der Europäischen Union" am 11. Dezember 1977, und auf der Grundlage der Prinzipien der europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung:

1.daß den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften eine zentrale Rolle bei der Weiterentwicklung und der Erweiterung der Europäischen Union zukommt, damit ein bürgernahes, starkes und einiges Europa, das die Gesamtheit der öffentlichen und privaten Partner an der ausgewogenen Entwicklung des europäischen Raumes beteiligt, entstehen kann,

2. daß das Europa, das mit der Agenda 2000 geschaffen werden soll:
  • fähig sein muß, die aktuellen Herausforderungen aufzunehmen und insbesondere die der Arbeitslosigkeit, und dabei das ihm eigene Gesellschaftsmodell zu erhalten und weiterzuentwickeln,
  • sich auf die aktive Beteiligung seiner Bürger stützen und die Werte der Solidarität verkörpern muß,
  • die Verschiedenartigkeit seiner Gebiete berücksichtigen und in allen Bereichen der europäischen Politik ihr Potential nutzen muß,
  • mit seiner Politik in allen Bereichen das Ziel der nachhaltigen Entwicklung verfolgen muß,
  • die Chancengleichheit von Frauen und Männern in allen gesellschaftlichen Bereichen und auf allen Entscheidungsebenen achten muß,
  • die Erweiterung der Union als eine moralische Verpflichtung, als ein politisches und wirtschaftliches Ziel der Union und als eine entscheidende Etappe der Entwicklung der Union verstehen muß;
3.daß vor der Erweiterung Reformen unternommen werden müssen, um eine Vereinbarung über die folgenden Punkte zu erzielen : die Gewichtung der Stimmen im Rat, die Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen und die Stärkung der Kodezisionsverfahren, um die Funktionsfähigkeit der erweiterten Europäischen Union durch die Stärkung ihrer Institutionen zu verbessern;

4.daß der Ausschuß der Regionen, dessen Rolle durch den Vertrag von Amsterdam bestätigt und verstärkt wurde, unbedingt zu allen Fragen der Bestimmung, Umgestaltung und Bewertung der Strukturfondspolitik konsultiert werden muß.

Angesichts der Tatsache:

  • daß eine wirksame Strukturpolitik nicht ohne die aktive Beteiligung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften umgesetzt werden kann,
  • daß die partnerschaftliche Zusammenarbeit bei der Verwaltung und Umsetzung der Strukturprogramme in der Vergangenheit nicht optimal verlaufen ist,
  • daß die strukturpolitischen Maßnahmen dem korrekt angewendeten Subsidiaritätsprinzip entsprechen und unter Beachtung der internen Organisationsstrukturen der verschiedenen Mitgliedsländer erfolgen müssen,
  • daß die städtischen und ländlichen Situationen mit einem integrierten und koordinierten strukturpolitischen Ansatz angegangen werden müssen,
  • daß die städtische Politik angesichts der spezifischen Herausforderungen, mit denen die städtischen Gebiete konfrontiert sind, auf Gemeinschaftsebene eine Priorität darstellen muß,
  • daß angesichts der Bedeutung der kleinen und mittelgroßen Städte ihrer Entwicklung und ihren Verbindungen zu den benachbarten ländlichen Gebieten eine besondere Beachtung zu erteilen ist,
  • daß der Erfolg der Erweiterung auf der Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung und der Beteiligung der in freier Wahl bestellten lokalen und regionalen Vertretungs-organe der künftigen Mitgliedsländer am Beitrittsprozeß beruht, da dieser Prozeß nur dann von allen Bürgern verstanden und akzeptiert wird.



EMPFIEHLT DER RAT DER GEMEINDEN UND REGIONEN EUROPAS DER EUROPAISCHEN UNION:


I - Hinsichtlich der partnerschaftlichen Zusammenarbeit:

1.Reale Garantien für die Verwirklichung einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Kommission, den Mitgliedstaaten und den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften müssen in den künftigen Strukturfondsverordnungen verankert werden,

2.Diese Partnerschaft ist so zu verstehen, daß über die in einer tragfähigen Partnerschaft organisierten lokalen und regionalen Gebietskörperschaften die Gesamtheit der gesellschaftlichen Kräfte, die zur lokalen und regionalen Entwicklung beitragen - der öffentliche Dienst und die private Wirtschaft, die Vereine, die Sozialpartner, die Universi-täten und Forschungszentren und die repräsentativen Verbände der Gebietskörper-schaften - beteiligt werden,

3. Eine neue Form der Partnerschaft ist mit den die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften vertretenden Verbänden herzustellen, um zu gewährleisten:
  • daß die Kommission die tatsächlichen lokalen und regionalen Auswirkungen der strukturpolitischen Maßnahmen besser erfassen kann,
  • daß die besten Praxisbeispiele und innovierenden Projekte im gesamten Gemeinschaftsraum und in Richtung der lokalen und regionalen Gebietskörper-schaften der künftigen Mitgliedsländer verbreitet werden,
4.Lernprozesse müssen organisiert werden, um mit der Unterstützung der Strukturfonds innovierende Aktionen und Erfahrungaustausch zwischen europäischen lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu entwickeln, die es ihnen ermöglichen, schnell auf Veränderungen und die Entwicklung der Informationsgesellschaft zu antworten,

5.Ein spezifischer rechtlicher, allen Generaldirektionen der Europäischen Kommission gemeinsamer Rahmen muß für alle Initiativen interregionaler Zusammenarbeit geschaffen werden, damit diese im vollen Ausmaß zu einer stärkeren Integration und Kohäsion der europäischen Gebiete beitragen können.


II - Hinsichtlich der Politik für den städtischen und den ländlichen Raum:

1.die gleichgewichtige und harmonische Entwicklung der städtischen Gebiete stellt angesichts ihrer Auswirkungen auf den europäischen Raum gesellschaftlich und wirtschaftlich eine entscheidende Herausforderung dar. Städtische Anliegen sind von grundlegender Bedeutung und müssen von der Europäischen Kommission als eine Priorität anerkannt werden. Spezifische Programme des Typs " URBAN " sind zu entwickeln, um es allen Städten - ob sie in Gebieten liegen, die im Rahmen der Strukturfonds Beihilfen erhalten können, oder nicht - zu ermöglichen, ihre spezifischen Aufgaben (Erneuerung, Sicherheit, Wohnraum, Beschäftigung, Armut,...) zu bewältigen. Die Initiativen der Union in diesem Bereich müssen in Partnerschaft mit den europäischen Gebietskörperschaften entwickelt und umgesetzt werden. Außerdem sollte der sie repräsentierende Verband, der RGRE, an der Vorbereitung und der Veranstaltung des nächsten Städtischen Forums beteiligt werden,

2.die Fragen der Erhaltung oder Neuansiedlung von Unternehmungen in mittelgroßen und kleinen Städten müssen Bestandteil der Initiativen zur Förderung städtischer Anliegen auf europäischer Ebene werden : die Lebensfähigkeit dieser Gebiete hängt in gleichem Maße von der Erhaltung ihrer " städtischen " und ihrer landwirtschaftlichen Aktivitäten ab,

3.die steigende Interdependenz der ländlichen und städtischen Gebiete ist auf Gemeinschaftsebene anzuerkennen. Die europäischen strukturpolitischen Maßnahmen und die spezifischen Maßnahmen zur ländlichen Entwicklung (begleitende Maßnahmen der GAP) müssen in Abstimmung mit den Partnern in diesen Gebieten koordiniert werden,

4.das Konzept des "flexiblen beihilfefähigen Gebiets", in dem sich eine tragfähige Partnerschaft entwickeln und die Koordinierung der ländlichen und städtischen Maßnahmen erfolgen kann, muß von der Europäischen Kommission als Instrument für die Umsetzung der Strukturpolitik anerkannt werden,

5.die derzeitigen Indikatoren müssen ergänzt werden, um die Auswirkungen der Gemeinschaftspolitik auf die "integrierten Wirtschaftsgebiete" einschätzen und alle Kriterien der Entwicklung bzw. des Rückfalls dieser Gebiete (Arbeitslosigkeit, Bevölkerungsbewegungen, Unternehmensgründungen, Armut, Anteil der aktiven Bevölkerung, Wettbewerbsfähigkeit, Angebot und Qualität öffentlicher Dienstleistungen, etc.) berücksichtigen zu können,

6.dieser Bewertung gemäß ist bei der Erteilung der Strukturfondsmittel eine gewisse Flexibilität vorzusehen : innerhalb eines Programmzeitraums kann sich heraus-stellen, daß neue Gebiete Probleme aufweisen, die eine Unterstützung erfordern, während sich andere Gebiete gut entwickeln und weniger Hilfen bedürfen. Ein Teil der Strukturfonds muß für diese Anpassungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden,

7.der Erfahrungsaustausch und die Zusammenarbeit zwischen den Gebietskörperschaften, die Gemeinschaftshilfen erhalten, und denen, die sich an den Gebietsvereinbarungen zur Förderung der Beschäftigung beteiligen, müssen durch eine bessere Koordinierung und eine möglichst starke Wirksamkeit dieser Maßnahmen gefördert werden,

8.der Zugang zu den neuen Informationstechnologien als Faktor der Integration der Gebiete muß durch Gemeinschaftsbeihilfen erleichtert werden, insbesondere für die kleinen und mittelgroßen Städte und gering besiedelte Gebiete.


III - Hinsichtlich der Erweiterung:

1.die Notwendigkeit, die Strukturen der kommunalen Selbstverwaltung in den künftigen Mitgliedsländen zu stärken, muß einen Bestandteil des von der Kommission und dem Rat definierten Prozesses zur Vorbereitung ihres Beitritts darstellen,

2.die Politik der Kommission zur Förderung der interregionalen Zusammenarbeit muß schon jetzt Maßnahmen umfassen, die es den Gebietskörperschaften der künftigen Mitgliedsländer ermöglichen, die für ihre aktive Beteiligung am Prozeß der Erweiterung notwendige Information und Fortbildung zu erhalten,

3.die Politik zur Vorbereitung des Beitritts muß die Chancengleichheit von Frauen und Männern in allen Bereichen und auf allen Entscheidungsebenen der Gesellschaft fördern,

4.die Politik zur Vorbereitung des Beitritts muß die Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung beachten,

5.besondere Beachtung muß den sozio-ökonomischen Wandlungsprozessen gewährt werden, die in den Grenzgebieten der derzeitigen und zukünftigen Mitgliedsländer zu bewältigen sind. Diese Gebiete müssen im Rahmen der europäischen Initiativen zugunsten der grenzüberschreitenden und interregionalen Zusammenarbeit stärker unterstützt werden, um in ihnen die notwendigen Anpassungen zu erreichen (Unterschiede im Entwicklungsstand, der Einkommen, Wanderungsbewegungen, ...),

6.die die Gebietskörperschaften der Beitrittsländer vertretenden nationalen Verbände, die in ihrer Mehrheit bereits an den Aktivitäten des RGRE teilnehmen und daher über die Fragen der Gemeinschaftspolitik und die Arbeiten des Ausschusses der Regionen informiert sind, müssen systematisch mit Beobachterstatus zur Beteiligung an diesen Arbeiten eingeladen werden,

7.die Staaten, die ihren Beitritt vorbereiten, müssen von der Europäischen Union aufgefordert werden, den lokalen Gebietskörperschaften ihres Landes alle Informationen über die Beitrittsverhandlungen zu vermitteln. Außerdem müssen diese Gebietskörper-schaften von den zukünftigen Mitgliedsstaaten in den Fragen, die sie betreffen, an den Verhandlungen beteiligt werden,

8.die Entwicklung der Informationsgesellschaft ist ein wichtiger Faktor zur Integration in der europäischen Gemeinschaft, insbesondere für die neuen Mitgliedsländer. Die Europäische Kommission muß mit ihren Programmen den Zugang der Gebiets-körperschaften der künftigen Mitgliedsländer zur Informationsgesellschaft erleichtern, um die geographischen Disparitäten zu verringern und die ungleichen Möglichkeiten der Gebiete, die Kommunikationsmittel zu nutzen, zu kompensieren.


DER RAT DER GEMEINDEN UND REGIONEN EUROPAS LADT DIE EUROPAISCHE UNION EIN, seine Empfehlungen bei der Ausarbeitung der neuen Strukturfondsverordnungen und ihrer Umsetzung zu berücksichtigen.



 
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